Montag, 6. Dezember 2010

Cie Drift mit Cadavre Exquis

Am 24.November 2010 feierte die Freiburg-Züricher Tanztruppe Premiere mit dem grotesken Stück Cadavre Exquis. Lesen Sie die Kritik:

Mittwoch, 10. November 2010

Neue Schweizer Tanzzeitschrift

In den letzten zehn Jahren sind drei Schweizer Tanzzeitschriften eingegangen. Das Kulturmagazin Ensuite hat seit 2007 eine systematisch verfasste Tanzserie veröffentlicht. Aufgrund des positiven Echos hat die Redaktion beschlossen, sie zu bündeln und in einer neuen Zeitschrift, DanseEnsuite, anzubieten.
Lesen Sie das Editorial der Verfasserin. Bestellen können Sie die Zeitschrift unter dieser Adresse oder beim Verlag. Der Preis liegt bei 8 CHF plus Versandgebühren.

Liebe Leser,
in dieser Auflage von Ensuite können Sie die Artikel der Tanzserie lesen, die das Kulturmagazin die letzten Jahre für Sie systematisch verfasste: eine Einführung in die Geschichte des modernen Tanzes sowie in die Tendenzen des Tanzes der Gegenwart.
Im ersten Teil wird die Entwicklung von Stil und Technik im Tanz des 20. Jahrhunderts verfolgt. Ein Stil wird jeweils anhand der herausragenden Persönlichkeit untersucht, die ihn prägte. Bei den Vorläufern des modernen Tanzes entspringt der Stil oft einer Spiritualität. Das gilt für den freien Tanz Amerikas wie für den Ausdruckstanz. Der Stil der Grossen des amerikanischen modernen Tanzes, Graham, Humphrey und Limón - ganz wie der von Kurt Jooss und später Pina Bausch in Europa -, entsteht aus dem Elan ihrer engagierten Antwort auf drängende politische und soziale Fragen. Darauf folgen Stile als Resultat künstlerischen oder analytischen Spiels. Jeder Artikel setzt unterschiedliche Akzente - mal auf Biographie, Tanzinhalte oder Arbeitsweise -, doch das Anliegen bleibt, Stil und Technik anschaulich vorzuführen. Nach einem Überblick über die Vorläufer des modernen Tanzes folgen Schlüsselfiguren wie Martha Graham, Doris Humphrey und José Limón, Merce Cunningham, Rudolf Laban und Mary Wigman, Kurt Joos, Pina Bausch und William Forsythe.
Im zweiten Teil finden Sie eine Auswahl neuerer Tendenzen, die den Tanz der Gegenwart prägen. So z.B. Contact Improvisation und Release, Street-Dance, aber auch den multikulturellen Stilmix und site specific Dance. Begriffe, die uns im Ohr klingen, aber vielleicht nicht wirklich greifbar sind. Während die drei ersten auf einer bestimmten Technik basieren, die beleuchtet wird, sind die letzteren Formen des Choreographierens, die charakteristische tanzkulturelle oder räumliche Gegebenheiten nutzen. Beispiele aus dem Schweizer und europäischen Raum illustrieren diese Tendenzen.
Ich möchte mich an dieser Stelle für all die offenherzigen Interviews der Künstler und für die informativen der Verantwortlichen verschiedener Institutionen und Verwaltungsstellen bedanken. Desweiteren für die Hilfsbereitschaft der Mediathek Lausanne und Zürich, der Theatersammlung in Bern sowie des Kölner Tanzarchivs.
Ich hoffe, mit den Texten Ihr Interesse am Tanz weiter zu schüren, damit Sie Ihren gefeilten Feinsinn gleich am kommenden Tanzereignis anbringen mögen.

Kristina Soldati

Dienstag, 12. Oktober 2010

Ausblick Oktober/November

Ausblick Oktober/November

Winkel in Zürich


Wer immer die Möglichkeit hat, ein Jiri-Kylian-Stück sich anzutun, der tue es. Man beglückwünscht die Züricher Companie für die geschmackliche Offenheit ihres Direktors: Falling Angels (1989) fördert das Stilgefühl der Tänzer, wenn sie nur Geschmack finden an der Winkelhaftigkeit. Die minimalistische Percussion von Steve Reich fördert wiederum ihre rhythmische und formbewusste Präzision.
Die Fördertätigkeit Spoerlis kommt auch den Schweizer Choreographen zugute. Wie schon früh Bill Forsythe und Martin Schläpfer an seinen Aufträgen (und exzellenten Tänzern!) wuchsen, so nun hoffentlich Thomas Hauert. Das Potential ist bei ihm da, nun auch die nötigen Beine und Zuschaueraugen.
Spoerlis Sacre du Printemps von Strawinsky wird im dreiteiligen Abend neu aufgenommen.
Ort: Opernhaus Zürich Falkenstrasse 2 8001 Zürich 044 268 64 00
Datum: So, 31.10.2010 So, 07.11.2010 Do, 18.11.2010 So, 28.11.2010 Fr, 03.12.2010

Das Festival Tanz.In Bern

In Nachfolge der Berner Tanztage jährt sich das Festival Tanz.In Bern zum dritten Mal. Das überwiegend Performance-orientierte Festival integriert das neue Tanzstück des Stadttheaters Bern, Momo, sowie die Preisverleihung des Schweizer Tanz- und Choreographiepreises, dieses Jahr an Anna Huber. Ihr Stück Tasten wird ebenso zu sehen sein, wie das neueste Werk der prominenten Vertreterin des französischen Tanztheaters Maguy Marin. Sie ist seit über zwanzig Jahren dem Berner Tanzfestival treu. Ein Höhepunkt wird sicher die Companie C de la B sein, mit einer Choreographie des langjährigen Tanzmitglieds Lisi Estaras: Premio erscht. Die gebürtige Argentinierin benutzt die ihr von klein auf vertraute Klezmer-Musik, um Kindheitserinnerungen zu beleben. Wie bei allen Stücken der Künstlerkooperative Companie C de la B, kann man sich auf Absurdes und Selbstironie gefasst machen. Die hervorragenden Tänzer der Truppe sind Garant für nichtunterdrückbare Virtuosität. Wer es nicht bis nach Zürich schafft (siehe Programm oben), sollte den Schweizer Upcomer Thomas Hauert mit dem Rotterdam-Danse-Akademie-Hintergrund mit "you've changed" in Bern nicht verpassen.
Jerome Bel, der selbst keine Tanzausbildung genoss, wurde in der rein zeitgenössisch orientierten Choreographie-Werkstatt Angers in zwei Jahren zum Choreographen ausgebildet. Wo in den beiden Stücken des Festivals getanzt wird, stammen die Bewegungen von zitierten Choreographen. Das ist in der Postmoderne durchaus legitim. Den Stücken Véronique Doisneau (präsent als Film) und Lutz Förster kann der Open-Minded-Zuschauer durchaus etwas abgewinnen. Die Stücke platzieren die prominenten Protagonisten (Solistin der Pariser Oper und auserwählter Tänzer Pina Bauschs) und ihr Leben an die Schnittstelle von Kunst und Privatem. Solche Schnittstellen sind ideal mit zeitgenössischen Performance-Mitteln aufzuzeigen. Denn diese sind spezialisert auf Brüche, Schwellen und Abwesenheit. Doch letztlich sind Sie Richter: es muss Sie überzeugen - oder packen. Sonst befinden Sie sich an der Schwelle des Theaters...
Olivier Dubois kam auch erst spät zum Tanz (mit 24 Jahren). Als Performer behandelt er gern die Lächerlichkeit akademischer Tanzregeln. Dieses Stück wurde am Festival in Lyon aufgeführt. Lesen Sie dazu den Rat der Kritikerin von Le Monde /1/ : "Empfehlung der Chefin: Schließen Sie die Augen - und genießen Sie die Musik!"
Maguy Marin, Mo. 20.,Di. 21.Okt. 19.30h in der Dampfzentrale
"Momo", So. 24.Okt. 15 h im Stadttheater Bern
"Tasten", Mo.-Mi., 25.- 27. Okt 19.30h in der Dampfzentrale
"you've changed", 3.,4. Nov. 19.30 h in der Dampfzentrale
"Premio-erscht", 7.,8. Nov. 19.30h in der Dampfzentrale
"Lutz Förster" 23., 24. Okt. 19.30 h (mittlerweile krankheitsbedingt abgesagt)
"L'homme de l'Atlantique" 29. , 30. Okt. 19.30h Dampfzentrale

Basel
Das Cathy Sharp Dance Ensemble präsentiert "eine neue Van Gogh Variation", wie es heisst. Wer in die Bewegung, die zweifelsohne in des Malers Bildern vorkommen, des Stücks mit dem Titel "Ein Bruchteil einer Sekunde" eintauchen möchte, muss sich nach Basel begeben, da die niveauvolle Companie meist nur im Ausland tourt..
Datum: 23.,24., 27.- 31. Okt
Ort: Theater Roxy Muttenzerstrasse 6 4127 Birsfelden/Basel 061 206 99 96

St. Gallen
Marcel Leeman wurde vom Direktor für Tanz, Marco Santi, für die Tanzpremiere am frisch renovierten Lokremise verpflichtet. Der Choreograph wurde an der Stuttgarter John Cranko-Schule sowie der Budapester Akademie ausgebildet und arbeitet seit 2003 in der Schweiz als freier Choreograph.
"Scenes for nothing" Ort: Theater St. Gallen Museumstr. 24, 071 242 06 06
Datum: 29., So 31. Okt. Di. 02.,So 07. Nov., Sa 13. Nov., So 14.,16. Nov., So. 21., 23. Nov.


/1/ Le Monde vom 9. Sept. 2010 S.3, eigenständige Beilage zum Lyon Festival

Freitag, 10. September 2010

Arte feiert seinen 20.sten !

Die Sendeanstalt zeigt uns deshalb seine produzierten Highlights, so z.B.:

One Flat Thing Reproduced
von William Forsythe


Mit dem flachen Ding, soviel soll verraten sein, meint William Forsythe – seine Titel waren nicht selten Understatements – den Tisch. Der Tisch scheint, wie übrigens auch der Stuhl, grosse Choreographen seit eh her gefordert zu haben. Kurt Joos` grünfarbener erhielt beim Pariser Choreographenwettbewerb damals den 1. Preis. Während Alexander Ekman in der Jooss-Cullberg-Folge den Tisch samt Gentlemen verdreifacht, bietet Forsythe ihn uns als Produkt des Zeitalters der technischen Reproduzierbarkeit um ein vielfaches gehäuft. Herausfordernd ist ein Tisch für Choreographen nicht als Element des Bühnenbilds, noch als verführerischer Gegenstand, Tänzer im Alltagsgebaren und Innerlichkeit um sich zu scharen. Fordernd ist das flache Ding für den Tanz und seiner Bewegung, wenn es als Platte einem den eukinetischen Raum (um den menschlichen Körper herum) zweiteilt. Wie sehen Bewegungen aus, wenn ihr Bewegungsraum halbiert ist? Wenn die horizontale Fläche druckempfänglich ist? Indem Forsythe in Improvisational Technologies solche Flächen und Kanten schon imaginierte, ist es in diesem Stück grossartiger Effekt, wenn ein Tänzer seine Abfolgen an fiktiven Ebenen abarbeitet und sie plötzlich auf eine reale Platte hievt. Der belgische Musiker und Filmemacher Thierry de Mey ist ein Choreograph der Musik (man kennt z.B. seine Tafelmusik 1987, ein Augenschmaus) und seit dem Film Rosas tanzt Rosas (1997) ein Choreograph der Bilder. Nichts liegt näher als ihn zu Tisch zu bitten, wenn Forsythe seine Kantenanalysen aus überraschenden Winkeln gut rhythmisiert einfangen möchte.
TV-Regie: Thierry de Mey, Musik: Thom Willems, Arte-France Frankreich 2006, 26 Min.
Arte, 3. Okt 2010 9.45 Uhr

Angelin Preljocaj mit Mariä Verkündigung


Am 2. Oktober kann man den talentierten eklektischen Choreographen albanischer Herkunft, übrigens auf der internationalen Tanzfläche heimisch, mit einer hoffentlich respektvollen Verarbeitung des Themas sehen. Mariä Verkündigung, ein Duett zwischen dem Erzengel Gabriel und Maria, wurde 1996 an der Pariser Oper uraufgeführt und vom Choreographen für das Fernsehen bearbeitet.
Arte, 2. Okt. 2010 8.45 Uhr

Donnerstag, 9. September 2010

Ausblick September


Gastspielhöhepunkt Les SlovaKs Dance Collective

Les Slowaks sind gewitzte Kerle, die ihre Energien in virtuose heimische Folklore steckten, bevor sie jede Grenzen sprengten und nach Brüssel, dem Pflaster zeitgenössischen Tanzes, aufbrachen. Bei Rosas, Ultima Vez und Akram Khan geschwitzt gründeten sie dann ihre eigene Truppe. Unverkennbar: HipHop hebt da mit ab.

Ort: adc - salle des Eaux-Vives 82-84 rue des Eaux-Vives, Genf, +41 22 320 06 06

Datum: 29. Sept. - 2. Okt. 20:30h

Freie Szene

Neben den Höhepunkten von Gastspielen können die Schweizer auf ihre prämierten Zöglinge aufschauen. Companie Alias (Choreographiepreis 2009) präsentierte beispielsweise zur Eröffnung des Batie-Festivals im September sein neues Stück Sideways Rain, das dann wohl von den Veranstaltern schweizweit aufgegriffen wird.

Ort: Théâtre du Crochetan Rue du Théâtre 6 Monthey 024 475 79 11

Datum: 30. Sept.

Theaterhäuser

Auch die Theaterhäuser der Schweiz bieten Spannendes gleich zu Spielzeitbeginn auf: eine selten zu sehende Jiri-Kilian-Aufführung (Schweizer Erstaufführung) in Basel "One of a kind", sowie das anspruchsvolle Stück "Der Tod und das Mädchen" in düsterem Ambiente in Zürich von Heinz Spoerli in einem Dreiteiler. Auf dem Fuss folgt dann Luzern und Bern mit literarischen Abendfüllern, in Luzern der Sommernachtstraum von Jochen Heckmann und im Stadttheater Bern Momo der niederländischen Gastchoreographin Didy Veldman.

Ort: Theater Basel, Theaterplatz, 
061 295 11 33

Datum: 24., 25., 27., 28. Sept.

Ort: Opernhaus Zürich Falkenstrasse 2 044 268 64 00

Datum: MI, 15.09. 19h, 17.09. 19:30h

Ort: Luzerner Theater Theaterstrasse 2 041 228 14 14

Datum: 1.Okt Premiere

Ort: Berner Stadttheater Kornhausplatz 031 329 51 5

Datum: 16. Okt. Premiere

Donnerstag, 1. Juli 2010

Themenabend Montpellier-Tanzfestival


Arte widmet seinen Thementag diesmal dem Tanz. Frankreich ist zweifellos ein Schwerpunkt im Programm der Sendeanstalt. So können wir den dreißigsten Jubiläumstag des Montpellier-Tanzfestivals miterleben. Nicht nur werden wir live ab 22.20 Uhr dabei sein. Wir gewinnen auch einen Überblick, welche Choreographen maßgeblich Montpellier mitprägten (der Festivalbegründer Dominique Bagouet 13.30 Uhr) oder dort den Durchbruch schafften (Boyzie Cekwana um 14.05 Uhr und Robyn Orlin 14.35 Uhr).

Den Bessie-Award in der Tasche zeigt uns Alonzo King aus San Franzisco Refraction, ein Stück, das Anfang Dezember in der Schweiz (Neuchatel und Freiburg), anschließend in Deutschland (Neuß und Ludwigsburg) tourt. Er wird für die gelungene Verschmelzung klassischen Tanzes mit modernem Tanz gerühmt. Anschließend beweist Akram Khan seine fusionistische Gabe: Gnosis, ein hinduistisch-zeitgenössischer Solotanz mit fünf Musikern ist dank seiner Kathak-Wurzeln World-Dance auf höchstem Niveau. Zuletzt wird Merce Cunninghams Roaratorio präsentiert, wiedereinstudiert zu Ehren des kürzlich verstorbenen Meisters, der dem Festival immer wieder treu war.

weitere Tips:

Sasha Waltz Dialoge 09: Neues Museum

Arte, Samstag, 3. Juli 2010 um 15.30 Uhr

Wiederholungen:

05.07.2010 um 11:20

Sasha Waltz & Guests

(Deutschland, 2009, 53mn)

ZDF

Regie: Sasha Waltz

Interpret: Sasha Waltz & Guests, Solistenensemble Kaleidoskop, Vocalconsort Berlin

Samstag, 12. Juni 2010

Steps # 12


erschienen in Ensuite Nr. 90 S.17

sowie in Auszügen auf www.tanznetz.de

Steps # 12. Das wohl attraktivste Tanzfestival der Schweiz findet alle zwei Jahre statt. Ensuite berichtet über fünf Veranstaltungen.

Die Schweizer können stolz sein auf ihr Migros-Kulturprozent, denn es ist wohl weltweit einzig, was der Unternehmer Gottlieb Duttweiler im Jahr 1957 ins Leben rief. Einmalig deshalb, weil die soziale und kulturelle Wohltätigkeit in den Unternehmenssatuten steht.

Automatisch, ohne argumentieren zu müssen, geht Jahr für Jahr ein Prozent des Umsatzes des Grossunternehmens an die Gemeinschaft, unser Gemeinwohl: unsere Kultur, Bildung, Freizeit und wirtschaftpolitische Fragen. Duttweiler war nicht Pionier heutiger Prestige-Events oder PR-Promotion. Duttweiler war schlicht gottesfürchtig. Die Verantwortung für den Schwächeren folgte daraus. Weil das Prozent umsatz- und nicht gewinnabhängig ist, kommen wir auch in Krisenzeiten zu einem ungeschmälert attraktiven Programmangebot. Das Schweizer Tanz-Festival Steps gibt es zweijährlich seit 1988. Im Geist des Migros-Kulturprozents versucht es zum Wohle der Gemeinschaft die gesamte Schweiz zu erreichen. Es bespielte diesjahr 29 Städte drei Wochen lang mit zwölf Companien. Mit Erfolg, denn gut die Hälfte der Veranstaltungen war ausverkauft

1. Aus den Flughafenhallen zum Symposium

Ein ganz wertvoller Beitrag des Festivals ist jeweils das Symposium. Sein Sinn? Die erlesenen meist ausländischen Gäste des Festivals, die durch das gesamte Land gelotst werden, sollten sich nicht nur in den Flu

ghafenvorhallen treffen, meint Hedy Garber, Leiterin der Direktion Kultur und Soziales des Migros-Genossenschaftsbunds. Nein, sie sollten einbezogen werden in inhaltliche Debatten. Zwei Drittel der Companieleiter von Steps #12 war auch

zur Stelle, dieses Jahr in den Vidmarhallen von Bern. Migros wünscht, aktiv Akzente in der schweizer Kulturlandschaft zu setzen. Dass Migros fördert und organsiert, das wissen wir, aber mit solchen thematisch gefassten Festivals und Symposien "investiert sie in Inhalte".

"Geld!"

Und was ist der Inhalt dieses Jahr? Zum ersten Mal sollte der Tanzmacher (Heinz Spoerlis Begriff)

im Mittelpunkt eines Symposiums stehen, sein künstlerischer, aber auch existentieller Werdegang. Kreativität und Karriere in der Choreographie war der Titel. Neben den doch wenigen Schweizer Choreographen, und natürlich Tänzern, waren Veranstalter, Förderer und Medienschaffende geladen. Die Presse glänzte durch Abwesenheit. Das visuelle Medium art-tv wird aber auf seine Kosten gekommen sein, als er Hans van Manen ins Visier nahm. Der Star der Geladenen war augenscheinlich in Höchstform. Humorvoll schilderte er, wie er zum Beruf kam. Wie er als Maskenbildner in die Tanzproben lugte - und bald für jemand einspringen sollte... Was wünsche Hans van Manen für den Tanz von heute? Der Rat eines der erfolgreichsten Choreographen adressiert an denheutigen Tanz könnte für die Anwesenden und jungen Choreographen unschätzbar sein. Doch auf die Frage ertönte es schlicht: "Geld!"

Dieser beschwörende Ruf wurde nach Manen-Manier aber sogleich humorvoll umgewandelt: "Wenn man den Tanz gerahmt an die Wand hängen könnte, sässen lauter Millionäre hier..."

Gelehrsam und mit Goethe-Zitaten gespickt sprachen 'Kreativitätsforscher' und Kunsthochschulrektoren von Kreativität und seinen Durststrecken. Ob den Betroffenen das von der Kanzel gesagt hilft, oder nur verstimmt, bleibe offen. Die Definition von Kreativität als Neukombination von Information im Wechselspiel von Konvergenz und Divergenz mag zwar biologische, psychologische und psychiatrische Erfahrungen auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Sie trifft auf Zellen nicht minder zu wie auf Choreographen, - und hilft in der Not keinen Schritt weiter. So wenig wie die müssigen Worte zur Sorge um den Nachruhm. Dies ist die einzige Sorge, die die ephemere Kunst nicht plagt.

Repertoirpflege als Chance

Eine Rednerin vom Fach, Karin Hermes, konstatierte - zwar in anderen Worten - wie der Tanz von heute rechts und links klaut. Für die Postmoderne der mobilsten aller Künste, des Tanzes, ist das durchaus legitim, doch besser wäre es, wenn man auch noch wüsste, was man klaut. So plädierte die Tanzrekonstrukteurin (sie holt notationgenau Tänze aus der Vergessenheit) und Choreographin für die Kenntnis aller Stilfrüchte, die auf dem Markt feilgeboten werden - und für deren Fairetrade. Damit aber die Früchte, noch bevor sie genetisch verändert (oder geklaut) werden, gekostet und ihren Namen in die Welt tragen können, bedürfen sie Märkte. Dafür brauchen, wenigstens die Früchte der Stilprägendsten einen wiederkehrenden Stand, an dem sie immer wieder als "Repertoir" hervorgeholt und aufgetischt werden können. - Wir Konsumenten könnten so auf den Geschmack kommen und sie unterscheiden lernen, bevor sie weiter zubereitet werden.

Intensive Tischgespräche

Wertvoll ist die integrierende Idee der Tischgespräche, eine Rarität in der Tanzszene. Da Förderer und Veranstalter so zahlreich zur Stelle waren wie die Künstler selbst, entstand ein sehr intensiver, zutiefst professioneller und erfahrungsgeladener Austausch. Träumte jemand z.B. gegenüber Sidi Larbi Cherkaoui sitzen zu dürfen? Dem Belgier Fragen zu seinen künstlerischen (Um)wegen zu stellen? Das Symposium bot an diversen moderierten Tischrunden mit den Companieleitern des Festivals dazu Gelegenheit.

Anerkennung, so ward an diesem Tag wissenschaftlich dargelegt, ist ein fester Pfeiler der Kreativität. Nämlich für ihre Motivation. Doch woher nehmen? Die belgische Tanzförderung ist weltweit vorbildlich. Der Schweizer Choreograph der freien Szene bettelt (abendfüllende!) projekt-weise um Geld, wird kaum angekündigt oder besprochen (die Schweizer Presse ist im Abbau und fusioniert) und Fachblätter gibt es keine mehr (die letzten drei gingen die vergangenen zehn Jahre ein). Was zunehmend den Ton angibt, ist die PR der Veranstalter und ihr Geschmack...

Wie gut tut da so ein Symposium, das wieder alle um den Tisch sammelt!

2. Beautiful Me , ein Stück mit afrikanischer Leuchtkraft


Steps stellt dieses Jahr seine Tanzstücke thematisch unter den Stern stilprägender Choreographenschicksale. Und da leuchtet Gregory Maqomas Stück bunt und hell. Es grenzt an ein feierliches Wunder, dem wir beiwohnen dürfen, wenn Maqoma sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf des Townships Soweto gezogen ein so positives und suggestives Werk schafft wie

Beautiful Me. Wie er in der Kindheit seinen Namen buchstabieren lernt (Gregory ist ein Zungenbrecher für die Xhosa, dem Volk, dem Nelson Mandela und Desmond Tutu angehören), hundertmal, lernt er auch die Liste derNamen, die in seinem Land (traurige) Geschichte schrieben. Doch er suchtnicht Rache noch Spuren seiner Ahnen, sondern verspielten Dialog. Die Spuren quellen ihm ohnehin aus den Gliedern: bevor er sich versieht und eine ausholende Spirale uns auffächert, ward schon die Erde angestampft und ihrem Geist die Kraft entliehen. Die Spirale selbst ist ein Geschenk des Inders Akram Khan, einem Schicksalsgenossen und gefeierten Choreographen in London. Auch er lernte die Kunst der Ahnen, den von den britischen Kolonialherren verpönten klassischen Tanz Kathak. Auch er fand zu einer fruchtbaren Auseinandersetzung im Tanz von heute. Gregory sog den Kathak seines Freundes in sich auf wie begnadete Tänzer es tun: wie ein Schwamm. Wenn er mit einem weiten Rumpfkreisen die anvertraute Spirale in die Luft zeichnet, säumen feingliedrige Hindutanz-Finger die Shiva-fürchtige Pose. Doch dann folgt die Transformation: Greogorys Handflächen beginnen zu schwirren und zu flattern, ein weisender Zeigefinger verlässt das indische Symbolgebilde erzählender Geste, um auf die eigene Stirn zu pochen (in Kathak ist Eigenberührung tabu), und auf die Brust, sie als Büsser nach dem Gewissen abzuklopfen. Die Beine beben, doch sie folgen, mitgerissen, dem weisenden Finger, der ihnen den fernen Horizont deutet. In wenigen Minuten ist eine Geschichte erzählt, die Kontinente und ihre Identitäten verknüpft. Die Musik tut es ohnhin, denn das partiturlose Zusammenspiel der vier Musiker auf der Bühne verbindet die indische Sitar, Violine, Cello und Schlaginstrumente.

Wen interessiert, wo die zwei Minuten Material des Co-Choreographen Akram Khan stecken? Wen interessieren die virtuosen Verwandlungskünste, wenn Gregory von Vincent Mantsoe (einem weiteren Mit-Choreographen) anvertraute Tierahmungen vollbringt, stelzt wie ein Flamingo oder heranpirscht wie ein Tiger? Es ist der Dialog, der interessiert, den er webt und pflegt, auch mit dem Zuschauer. Wir helfen ihm am Ende, seinen Namen zu buchstabieren. Wiederholt. "Neunundneunzig", heisst's, und ein stürmischer Applaus bricht los.

3. Limón-Dance-Company

José Limóns Werke leben fort. Seine fünfzigjährige Companie ist vitaler denn je. Sie brachte viel Schwung und Atem in das Festival Steps #12. Auf dem Programm stand neben Limóns Klassiker A Moores Pavane, einem dichten choreographischen Meisterwerk von 25 Minuten, sein biblisches Stück There is a Time. Es ist ein programmatischer Tanz zu Salomos bekannter Textstelle "Alles hat seine Zeit".

Doch neben dem nachvollziehbaren ausdrucksstarkem Inhalt gilt für Schritt wie Schrift: die Form ist so sprechend wie des Predigers Wort. In der Form liegt Programm.

Schon Salomo wand die Weisheit in einen Reigen. Wie die grössten Kontraste im Leben dicht an dicht ihren Platz haben, so reihen sie sich bei Salomo Vers an Vers. Weinen und Lachen reichen sich die Hand. Wen wundert's, wenn die Kreisform José Limóns Stück There is a Time durchwebt? Sie ist am Anfang und Ende, vereint sinnbildlich die Kontraste und nimmt jeden einzelnen auf. Die getanzten Lebensphasen gliedern sich in ihr ein wie in den wiederkehrenden Zyklus der Natur der Mensch. Nach vielem hin und her, auf und ab mündet bei Salomo das Ende der Reihung, der Hass und Krieg, in den Frieden. Bei Limón wiegt sich da ein Kreis von Menschen, einander zugewandt, und formt das entsprechende Schlussbild.

Die Verwendung eines starken Sinnbilds allein ist noch nicht genial. Genial bei José ist, dass Kreise wie unmerkliche Kettenglieder die Choreographie durchziehn. Es kreist der Oberkörper oder ein imaginäres Gewicht rollt im Halbrund der Arme. Es kreisen die Köpfe, die durch die Fliehkraft einer Drehung ausschwingen. Wenn der Drehpunkt nicht in einem Körper liegt, sondern in der Mitte vieler, etwa beim Reigen, so schweissen die Tänzer sich gegen die Fliehkraft zusammen. Eine so ansteckende Erscheinung, die beim Kreistanz zum Einreihen einlädt: fest am Nachbarn verankert ist solch kraftvoller Schwung nur in Gemeinschaft zu erfahren und vor allem: wieder einzufangen. Ein in Wogen auspendelndes Phänomen, das in der Aus-Zeit von Kreistänzen ein seltener Blickfang ist.

Die Limón-Dance-Company pflegt aber nicht nur das Erbe. Sie belebt auch die Geschichte, die um José herum die Grossen prägte. Beispielsweise mit Anna Sokolovs Stück aus dem Jahr 1955, das in Bern zu sehen war. Es macht uns das politisch und gesellschaftskritische Engagement des modernen Tanzes wieder bewusst. Stilistisch eckt und schreit es, und kündet vom (deutschen) Ausdruckstanz. Und schliesslich vermittelt die Companie ihre jüngsten Sprossen, wie in Zürich zu sehen war: eine fliessende Choreographie des ehemaligen Solisten Clay Taglioferro.

4. HipHop wird Kunst

Was wünscht man sich mehr, als dass ein durch-und-durch-Künstler wie Bruno Beltrao sich einem Sprachkodex wie dem Break-Dance annimmt, noch bevor dieser gänzlich zur Attraktion verkommt? Bruno Beltrao lernte

den Kodex auf den Strassen der Vorstadt von Rio de Janeiro 1980. Mit 16 barst seine Kreativität und er gründete seine eigene Companie. Mittlerweile setzt er den Break-Dance dem choreographischen Know-how von heute aus.

Das wird am Programmheft deutlich, wo er grossen Wert auf den Einsatz von Raum legt. Dieser mag für den Break-Dance der Hinterhöfe eine immense Errungenschaft sein, der Zuschauer nimmt ihn gelassen für ein

Apriori. Doch Beltrao setzt damit Massstäbe: nie wieder werden wir durchgehen lassen, wenn Break-Dance-Figuren si

ch auf der Bühne in schäbigen Formationen (womöglich geometrischen..) gesellen. Wenn ehedem provokative Einzelkämpfer beim Batteln zu gereihten Show-dancer verkommen. Dank sei also dem Helden der Kunst wie Beltrao, der neue (Raum)wege sucht.

Atemberaubend ist ein Weg, den er seine neun Tänzer flitzen lässt. Man kennt ihn zwar, es ist die Manege, doch auf die Richtung kommts an: rückwärts rasen die atlethischen Körper ohne Geschwindigkeitsbeschränkung. Überholen gibts durchaus. Doch besonders beeindruckend sind die Ausweichmanöver des Gegenverkehrs. Nein, sie schauen nicht zurück. Auch nicht im Rückspiegel. Ihr blindes Abgestimmtsein ist die Quintessenz des Abends. Hatten die Individuen von Anbeginn an Kommunikationsprobleme, gegen Ende läufts reibungslos. Waren zu Beginn die Phrasen der Einzelnen monologisch selbst im Duett, gegen Ende tanzen neun gemeinsam. Hatten die Phrasen anfangs unabsehbare Schlusspunkte - ein Kopf, der statt einem i-Tüpfelchen nur abknickt, eine Schulter die verkrampft in die Höhe zuckt -, sind sie nach einer Stunde abgerundet. Lief zu Beginn der Austausch über missglückte Übersprungshandlungen, das zuckende Handgelenk, das ausbüchst und am Hinterkopf des Nebenmann zur Ruhe kommt, kreiste am Ende ein seliger Reigen. Auch wenn das vierbeinige Kreiseln ohne anzuecken an die wortlose Verständigung unserer langarmigen Vorfahren erinnert...

5. Trilogieabschluss: Babel(words)

Der gefeierte Choreograph Sidi Larbi Cherkaoui hat unlängst in Brüssel das Abschlusswerk seiner Trilogie präsentiert: Babel(words). Das Tanzfestival STEPS holte es taufrisch in die Schweiz. Die Trilogie handelt mit humanistischem Anspruch von den Höhen und Tiefen menschlicher sowie religiöser Beziehung. Babel(words) ist ein theatralisches Werk, dessen Eklektik wohl Programm ist.

Am Anfang war das Wort. So beginnt die Bibel. Am Anfang war die Geste, so beginnt dagegen Cherkaouis Babel. Die Geste ging dem Wort voran, heisst es da. Doch Geste und Wort, die das behaupten, sind synthetisch wie eine Roboterstimme und die abgenutze Zeichensprache einer Stewardess an Board. Wie aber mag die Geste ehedem unverbraucht gewesen sein?

Da ertönen Trommeln (der fünf grossteils orientalischen Musiker) und die bunte Arbeitertruppe des Turms zu Babel hinter der Startlinie setzt ihre erste Geste: sie markiert ihr Gelände. Eine gute Elle bis zum Nachbarn, an den man stösst. Der wiederum reagiert und markiert: sein Territorium, eine Elle. Und so fort. Kurzgefasstes Drohgebärde reiht sich wie der Trommelschlag, zunehmend aggressiv. Diagonal in den Lüften arretierte Fusssohlen grenzen ihren Raum ab und wandeln rhythmisiert sich zum Kampfsport ohne Berührung. Die Eigenräume überschneiden sich, eine Elle greift bis in die Kernzone des andern, die Glieder dringen ein wie Enklaven. Schon früh lernt der Mensch, wie man mit andern den selben Raum teilt, - respektfordernd. Gewaltig.

Dann kommt die Neugier und Entdeckung des anderen. Die Entdeckung auch der Manipulation. Die synthetisch wirkende Stewardess-Figur, eine Überspitzung unseres Schönheitsideals, ist nämlich steuerbar. Gelenke und jedwede Auswölbung sind eine Klaviatur, an der sich genüsslich zwei Asiaten bedienen. Ein Hebeln bewirkt den Knick im Ellebogen, ein Druck das Drehen vom Hals. Die passende neurowissenschaftliche Rechtfertigung liefert uns wortreich ein Intellektueller - doch leider hat er uns zuvor schon erfolgreich die praktischen und metaphysischen Vorzüge des gigantischen Würfel-Designs (Bühnenbild: Antony Gormley) verkauft. Wir werden misstrauisch... Jede Geste des Redners sitzt, der Tonfall ist einstudiert wie der abgebrühter Vertreter. Auf dessen Rythmus echot das Ensemble synchron seine Gebärde. Im Rhythmus findet jede Gebärde ein Gegenüber, an dem sie angeheftet wird. Wie eine Brosche, oder eben - ein Manöver. Denn jeder Druck manipuliert: er knickt Ellebogen und dreht einen Hals. "Das Frontalhirn feuert dieselben Neuronen, ob wir berührt werden oder andere berührt sehen. Was auf die Empathieleistung des Menschen hinweist" säuselt der Sprecher. Oder auf das Know-how seiner Manipulation. Einfühlung und Einwirkung gehen oft Hand in Hand wie Cherkaouis Paare es zeigen: Ineinander vertrackt und verzahnt hantieren sie aneinander herum, kein Mensch weiss mehr, wer steuert und wer reagiert. Eine Bewegungsmaschinerie mit vier Ellbogen und zwei Hälsen, Impulsgeber und -empfänger in einem. Faszinierend.

Als letztes, nach schwindelerregend gedrehten und getürmten Riesenwürfel auf der Bühne , erfasst eine sehr erdene Bewegung das Ensemble. Eva (Navala Chaudhari) verführte bereits Adam, schlangengleich wand sie sich an ihm hoch und runter, umschlang ihn mit den Beinen und zog ihn, den Erschöpften, schliesslich zu Boden. Ein fulminanter erdverhafteter Tanz breitet sich da aus. Mit nacktem Oberkörper ist die Eva-Figur mal Nymphe, mit glänzender Haut dann wieder Schlange. Sie bäumt und wölbt sich in alle erdenkliche Richtungen, sie schleudert die Extremitäten des einen Körperendes zum anderen, ein vielseitiges Vorankommen (wüsste man nur, wo das Ziel ist). Beugen und schwingen lässt es sich vorzüglich auch mit anderen, und so steckt sie im Nu die Meute um sie herum an, alles kreucht und fleucht, übersät den gesamten Boden. Der Atem verbindet sie und schweisst die Bewegung zu einem Guss. Er macht die Energie hörbar, wie sie in einer fliessenden Spirale im Überschwang die Körper immer wieder hochschraubt und sich mannshoch entlädt. Oder saugt der Atem samt hochfliegender Arme an diesen Wendepunkten dem Himmel Kraft ab, um sie im Kreis auf den Boden gewunden zu erden? Ein Trance der Wiederholung zwischen den Gegensätzen. Ekstatisch.

Doch wie folgt eine Bewegungssprache aus der anderen? Wie löst die faszinierende die gewaltige ab, warum folgt die ekstatische danach? Chronologie im Werk ist seit Cunningham & Cage als ein Zufallsspiel entlarvt. Doch im Gegensatz zu jenen schürt Sidi Larbi Cherkakoui mit viel Symbolik unsere Erwartung zu verstehen. Verknüpft sind die verschiedenen Bewegungssprachen lediglich durch Worte, die wohlweisslich lose perlen können, nicht nur seit dem Fall von Babel. Wir finden keine Stringenz in der Bewegungsdramaturgie, noch eine choreographische Handschrift (zumal zwei zusammenarbeiten: Damien Jalet ist langjähriger Co-Choreograph). Die stilistische Eklektik ist Merkmal der Choreographen-Garde, die wie Cherkaoui aus der Wiege der Companie C de la B stammt. Wir lassen die Eklektik, spektakulär an diesem Abend dargeboten, dem gefeierten Wunderkind Sidi Larbi Cherkaoui des Themas zuliebe gern durchgehen. Zur Sprachverwirrung paart sich Tanzvielfalt. Doch nach dieser Trilogie warten wir auf eine Läuterung. Auch Genies, nicht nur arabische, vertragen ein Fasten.

Das Festival Steps ist und bleibt einer der Höhepunkte im Tanzangebot der Schweiz, das durchaus auch im Ausland als solcher wahrgenommen wird. Wir freuen uns auf die nächste spannende Ausgabe.

Sonntag, 30. Mai 2010

Ausblick Juni 2010



Bern: Die Gesellschaft, wie sie non-verbal kommuniziert

Einen erbarmungslosen Spiegel soll Andrea Miller uns vorhalten. Wenn die ehemalige Juillard-Schülerin und Batsheva-Dance-Company-Tänzerin das Thema angeht, sind ihr alle Mittel der Bewegung recht. Auch die aus dem Irrenhaus. Verspricht Spannendes!

Die erste Hälfte des Abends bestreitet die Ballettdirektorin mit einer weiteren Visualisierung von Künstlerpaarbeziehungen (nach Tom Hughes and Sylvia Plath). Einmal mehr darf der Frauenpart dabei in den Vordergrund rücken (nach Julia & Romeo) nun Clara Schumann.

Auf immer und ewig

Ort: Vidmarhallen, Könizstrasse 161 Bern, Tel. 031 311 95 65

Datum: 5., 8., 19.30h, 13. Jun. 18:00h

Basel: hoher Gast & heimische Qualität

Eine wunderbare Mischung bietet der neue Ballettabend in Basel: Milk and Honey. Beim Nennen des Titels läuft einem schon das Wasser im Munde zusammen. Wieviel mehr, wenn man erfährt, wer mitwirkte: Der überaus begehrte Choreograph Ohad Naharin schuf ein neues Werk für die Schweiz. Sein unverwechselbare Stil ist gut geschult: als Tänzer liess er Phrasen der Besten in seine Glieder dringen (Martha Grahams z.B.), als Direktor der Batsheva Dance Company liess er über seine langjährige choreographische (und Lebens-) Partnerin die schwarze Originalität von Alvin Ailey einfliessen. Das neue Stück zeugt mal von Intensität mal von heiterem gemeinschaftlichem Empfinden eines Kibbutz.

Der zweite Teil des Abends stammt von Richard Wherlock, der sich nach acht Jahren Leitung in Basel der Geschichte der Stadt stellt. Er entwickelt mit dem originellen Jazz-Musiker George Gruntz, einem Kenner, einen ethnologischen Blick auf die Stadt. Die zwei Könner garantieren Unterhaltung, das Ensemble sichert das verlangte Niveau.

Ort: Theater Basel, Elisabethenstr. 16, Tel. +41-(0) 61 295 11 33

Datum: 6. Juni 19h, 8., 10., 17. Jun. 20:00

Zürich: Highlight bei den Festspielen

Wer noch nicht das letzte Stück der Trilogie von der vielleicht spannendsten Companie Peeping Tom sah, pilgere zu den Zürcher Festspielen. Der Stil ist wirsch und unverbraucht wie der der halsbrecherischen Break-Dance-Generation. Doch wie viel Poesie! Natürlich kein bisschen romantisch. Das merken Sie gleich, wenn sich die Tänzer erst einmal durch die aufgebahrte Erdhaufen wühlen müssen, um sich Ihnen zu präsentieren... Eine Besprechung finden Sie unter meiner Rubrik Kritiken: Peeping Tom

Ein weiteres Highlight ist die Choreographie von Sasha Waltz: Continu. Sie ist die Bühnenversion zweier Special-Events, der Einweihungen von Museen von Weltrang (Berlin und Rom). Wer also nicht dabei sein konnte, erlebe den Flair der griechischen und ägyptischen Sammlungen nun hautnah. Wer mag dann über das Paradox entscheiden, ob site-specific Tänze auf unspezifische Bühnen exportierbar sind..?

Peeping Tom

Ort: Theaterhaus Gessnerallee, Gessnerallee 8, Zürich, Tel. +41 44 225 81 11

Datum: 17.,18.,19. Jun. 20:00h

Continu

Ort: Schiffbau, Schiffbaustrasse 4, Zürich, Tel. + 41 44 258 77 77

Datum: 20. Jun. 19:00h, 23., 24., 25., 26. Juni 20:00 h

Montag, 24. Mai 2010

Sidi Larbi Cherkaoui

erscheint in Ensuite Nr. 80:


Trilogieabschluss: Babel(words)
Der gefeierte Choreograph Sidi Larbi Cherkaoui hat unlängst in Brüssel das Abschlusswerk seiner Trilogie präsentiert: Babel(words). Das Tanzfestival STEPS holte es taufrisch in die Schweiz. Die Trilogie handelt mit humanistischem Anspruch von den Höhen und Tiefen menschlicher sowie religiöser Beziehung. Babel(words) ist ein theatralisches Werk, dessen Eklektik wohl Programm ist.
Am Anfang war das Wort. So beginnt die Bibel. Am Anfang war die Geste, so beginnt dagegen Cherkaouis Babel. Die Geste ging dem Wort voran, heisst es da. Doch Geste und Wort, die das behaupten, sind synthetisch wie eine Roboterstimme und die abgenutze Zeichensprache einer Stewardess an Board. Wie aber mag die Geste ehedem unverbraucht gewesen sein?
Da ertönen Trommeln (der fünf grossteils orientalischen Musiker) und die bunte Arbeitertruppe des Turms zu Babel hinter der Startlinie setzt ihre erste Geste: sie markiert ihr Gelände. Eine gute Elle bis zum Nachbarn, an den man stösst. Der wiederum reagiert und markiert: sein Territorium, eine Elle. Und so fort. Kurzgefasstes Drohgebärde reiht sich wie der Trommelschlag, zunehmend aggressiv. Diagonal in den Lüften arretierte Fusssohlen grenzen ihren Raum ab und wandeln rhythmisiert sich zum Kampfsport ohne Berührung. Die Eigenräume überschneiden sich, eine Elle greift bis in die Kernzone des andern, die Glieder dringen ein wie Enklaven. Schon früh lernt der Mensch, wie man mit andern den selben Raum teilt, - respektfordernd. Gewaltig.
Dann kommt die Neugier und Entdeckung des anderen. Die Entdeckung auch der Manipulation. Die synthetisch wirkende Stewardess-Figur, eine Überspitzung unseres Schönheitsideals, ist nämlich steuerbar. Gelenke und jedwede Auswölbung sind eine Klaviatur, an der sich genüsslich zwei Asiaten bedienen. Ein Hebeln bewirkt den Knick im Ellebogen, ein Druck das Drehen vom Hals. Die passende neurowissenschaftliche Rechtfertigung liefert uns wortreich ein Intellektueller - doch leider hat er uns zuvor schon erfolgreich die praktischen und metaphysischen Vorzüge des gigantischen Würfel-Designs (Bühnenbild: Antony Gormley) verkauft. Wir werden misstrauisch... Jede Geste des Redners sitzt, der Tonfall ist einstudiert wie der abgebrühter Vertreter. Auf dessen Rythmus echot das Ensemble synchron seine Gebärde. Im Rhythmus findet jede Gebärde ein Gegenüber, an dem sie angeheftet wird. Wie eine Brosche, oder eben - ein Manöver. Denn jeder Druck manipuliert: er knickt Ellebogen und dreht einen Hals. "Das Frontalhirn feuert dieselben Neuronen, ob wir berührt werden oder andere berührt sehen. Was auf die Empathieleistung des Menschen hinweist" säuselt der Sprecher. Oder auf das Know-how seiner Manipulation. Einfühlung und Einwirkung gehen oft Hand in Hand wie Cherkaouis Paare es zeigen: Ineinander vertrackt und verzahnt hantieren sie aneinander herum, kein Mensch weiss mehr, wer steuert und wer reagiert. Eine Bewegungsmaschinerie mit vier Ellbogen und zwei Hälsen, Impulsgeber und -empfänger in einem. Faszinierend.
Als letztes, nach schwindelerregend gedrehten und getürmten Riesenwürfel auf der Bühne , erfasst eine sehr erdene Bewegung das Ensemble. Eva (Navala Chaudhari) verführte bereits Adam, schlangengleich wand sie sich an ihm hoch und runter, umschlang ihn mit den Beinen und zog ihn, den Erschöpften, schliesslich zu Boden. Ein fulminanter erdverhafteter Tanz breitet sich da aus. Mit nacktem Oberkörper ist die Eva-Figur mal Nymphe, mit glänzender Haut dann wieder Schlange. Sie bäumt und wölbt sich in alle erdenkliche Richtungen, sie schleudert die Extremitäten des einen Körperendes zum anderen, ein vielseitiges Vorankommen (wüsste man nur, wo das Ziel ist). Beugen und schwingen lässt es sich vorzüglich auch mit anderen, und so steckt sie im Nu die Meute um sie herum an, alles kreucht und fleucht, übersät den gesamten Boden. Der Atem verbindet sie und schweisst die Bewegung zu einem Guss. Er macht die Energie hörbar, wie sie in einer fliessenden Spirale im Überschwang die Körper immer wieder hochschraubt und sich mannshoch entlädt. Oder saugt der Atem samt hochfliegender Arme an diesen Wendepunkten dem Himmel Kraft ab, um sie im Kreis auf den Boden gewunden zu erden? Ein Trance der Wiederholung zwischen den Gegensätzen. Ekstatisch.
Doch wie folgt eine Bewegungssprache aus der anderen? Wie löst die faszinierende die gewaltige ab, warum folgt die ekstatische danach? Chronologie im Werk ist seit Cunningham & Cage als ein Zufallsspiel entlarvt. Doch im Gegensatz zu jenen schürt Sidi Larbi Cherkaoui mit viel Symbolik unsere Erwartung zu verstehen. Verknüpft sind die verschiedenen Bewegungssprachen lediglich durch Worte, die wohlweisslich lose perlen können, nicht nur seit dem Fall von Babel. Wir finden keine Stringenz in der Bewegungsdramaturgie, noch eine choreographische Handschrift (zumal zwei zusammenarbeiten: Damien Jalet ist langjähriger Co-Choreograph). Die stilistische Eklektik ist Merkmal der Choreographen-Garde, die wie Cherkaoui aus der Wiege der Companie C de la B stammt. Wir lassen die Eklektik, spektakulär an diesem Abend dargeboten, dem gefeierten Wunderkind Sidi Larbi Cherkaoui des Themas zuliebe gern durchgehen. Zur Sprachverwirrung paart sich Tanzvielfalt. Doch nach dieser Trilogie warten wir auf eine Läuterung. Auch Genies, nicht nur arabische, vertragen ein Fasten.
Wenn Sie mehr über den Choreographen erfahren wollen und hinter die Kulissen blicken möchten, bietet der TV-Sender Arte einen Dokumentar-Film namens Babels-Träume.

Regie: Don Kent (Erstausstrahlung)
Wiederholungen:
06.06.2010 um 06:00
13.06.2010 um 10:00


Montag, 10. Mai 2010

Gregory Maqoma: Beautiful Me

erscheint in Ensuite Nr. 90:

Ein Stück mit afrikanischer Leuchtkraft

"Das sind ziemlich verrückte Wesen, die stur trotz der Kaprizen der Geschichte, der Kriege, Revolutionen und Regime an die Feier der Schönheit glauben", bekennt der Kongolese Faustin Linyekula, Freund und Mit-Choreograph von Gregory Maqoma, dem wichtigsten Schöpfer heutigen Tanzes aus Südafrika.

Das zweijährige Schweizer Festival Steps stellt dieses Jahr seine Tanzstücke thematisch unter den Stern stilprägender Choreographenschicksale. Und da leuchtet Maqomas Stück bunt und hell. Es grenzt an ein feierliches Wunder, dem wir beiwohnen dürfen, wenn Gregory Maqoma sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf des Townships Soweto gezogen ein so positives und suggestives Werk schafft wie Beautiful Me. Wie er in der Kindheit seinen Namen buchstabieren lernt (Gregory ist ein Zungenbrecher für die Xhosa, dem Volk, dem Nelson Mandela und Desmond Tutu angehören), hundertmal, lernt er auch die Liste der Namen, die in seinem Land (traurige) Geschichte schrieben. Doch er sucht nicht Rache noch Spuren seiner Ahnen, sondern verspielten Dialog. Die Spuren quellen ihm ohnehin aus den Gliedern: bevor er sich versieht und eine ausholende Spirale uns auffächert, ward schon die Erde angestampft und ihrem Geist die Kraft entliehen. Die Spirale selbst ist ein Geschenk des Inders Akram Khan, einem Schicksalsgenossen. Auch er lernte die Kunst der Ahnen, den von den britischen Kolonialherren verpönten klassischen Tanz Kathak. Auch er fand zu einer fruchtbaren Auseinandersetzung im Tanz von heute. Gregory sog den Kathak seines Freundes in sich auf wie begnadete Tänzer es tun: wie ein Schwamm. Wenn er mit einem weiten Rumpfkreisen die anvertraute Spirale in die Luft zeichnet, säumen feingliedrige Hindutanz-Finger die Shiva-fürchtige Pose. Doch dann folgt die Transformation: Greogorys Handflächen beginnen zu schwirren und zu flattern, ein weisender Zeigefinger verlässt das Symbolgebilde erzählender Hände, um auf die eigene Stirn zu pochen (in Kathak ist Eigenberührung tabu), und auf die Brust, sie als Büsser nach dem Gewissen abzuklopfen. Die Beine beben, doch sie folgen, mitgerissen, dem weisenden Finger, der ihnen den Horizont deutet. In wenigen Minuten ist eine Geschichte erzählt, die Kontinente und ihre Identitäten verknüpft. Die Musik tut es ohnhin, denn das partiturlose Zusammenspiel der vier Musiker auf der Bühne verbindet die indische Sitar, Violine, Cello und Schlaginstrumente.

Wen interessiert, wo die zwei Minuten Material des Star-Choreographen Akram Khan stecken? Wen interessieren die virtuosen Verwandlungskünste, wenn Gregory vom Vincent Mantsoe (der dritte Choreograph im Bunde) anvertraute Tierahmungen vollbringt, stelzt wie ein Flamingo oder heranpirscht wie ein Tiger? Es ist der Dialog, der interessiert, den er webt und pflegt, auch mit dem Zuschauer. Wir helfen ihm, seinen Namen zu buchstabieren. "Neunundneunzig", heisst's, und es entbricht ein stürmischer Applaus.

Sonntag, 9. Mai 2010

Steps #12



Bewegte Umwege? Kreativität und Karriere der Choreographen

Das diesjährige Symposium des Festvials Steps#12 vom 5. Mai in Bern

Das Schweizer Festival Steps gibt es zweijährlich seit 1988. Im Geist des Migros-Kulturprozents versucht es zum Wohle der Gemeinschaft die gesamte Schweiz zu erreichen. Es bespielt 29 Städte drei Wochen lang mit zwölf Companien. Mit Erfolg, denn zwei Drittel der Veranstaltungen sind ausverkauft. Ein ganz wertvoller Beitrag des Festivals ist das Symposium. Sein Sinn? Die erlesenen meist ausländischen Gäste des Festivals, die durch das gesamte Land gelotst werden, sollten sich nicht nur in den Flughafenvorhallen treffen, meint Hedy Garber, Leiterin der Direktion Kultur und Soziales des Migros-Genossenschaftsbunds. Nein, sie sollten einbezogen werden in inhaltliche Debatten. Migros wünscht aktiv Akzente in der schweizer Kulturlandschaft zu setzen. Dass Migros fördert und organsiert, das wissen wir, aber mit solchen thematisch gefassten Festivals und Symposien "investiert sie in Inhalte".

Geladene Gäste: "Geld!"

Und was ist der Inhalt dieses Jahr? Zum ersten Mal sollte der Tanzmacher (Heinz Spoerlis Begriff) im Mittelpunkt eines Symposiums stehen, sein künstlerischer, aber auch existentieller Werdegang. Kreativität und Karriere in der Choreographie war der Titel. Neben den doch wenigen Schweizer Choreographen waren auch die Förder und Medienschaffende geladen. Die Presse glänzte durch Abwesenheit. Das visuelle Medium art-tv wird aber auf seine Kosten gekommen sein als er Hans van Manen ins Visier nahm. Der Star der Geladenen war augenscheinlich in Höchstform. Humorvoll schilderte er, wie er zum Beruf kam. Wie er als Maskenbildner in die Tanzproben lugte - und bald für jemand einspringen sollte... Was wünsche Hans van Manen für den Tanz von heute? Der Rat eines der erfolgreichsten Choreographen adressiert an den heutigen Tanz könnte für die Anwesenden und jungen Choreographen unschätzbar sein. Doch auf die Frage ertönte es schlicht: "Geld!"

Dieser beschwörende Ruf wurde nach Manen-Manier aber sogleich humorvoll umgewandelt: "Wenn man den Tanz gerahmt an die Wand hängen könnte, sässen lauter Millionäre hier..."

Gelehrsam und mit Goethe-Zitaten gespickt sprachen 'Kreativitätsforscher' und Kunsthochschulrektoren von Kreativität und seinen Durststrecken. Ob solches den Betroffenen im beschwingten Ton von der Kanzel gekündet hilft, oder nur verstimmt, wie ich vernahm, bleibe offen. Die Definition von Kreativität als Neu-Kombination von Information im Wechselspiel von Konvergenz und Divergenz mag zwar biologische, psychologische und psychiatrische Erfahrungen auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Sie trifft auf Zellen nicht minder zu wie auf Choreographen, - und hilft in der Not keinen Schritt weiter. So wenig wie die müssigen Worte zur Sorge um den Nachruhm. Dies ist die einzige Sorge, die die ephemere Kunst nicht plagt.

Repertoirpflege als Chance

Eine Rednerin vom Fach, Karin Hermes, konstatierte - zwar in anderen Worten - wie der Tanz von heute rechts und links klaut. Für die Postmoderne der mobilsten aller Künste, des Tanzes, ist das durchaus legitim, doch besser wäre es, wenn man auch noch wüsste, was man klaut. So plädierte die Tanzrekonstrukteurin (sie holt notationgenau Tänze aus der Vergessenheit) und Choreographin für die Kenntnis aller Stilfrüchte, die auf dem Markt feilgeboten werden - und für deren Fairetrade. Damit aber die Früchte, noch bevor sie genetisch verändert (oder geklaut) werden, gekostet und ihren Namen in die Welt tragen können, bedürfen sie Märkte. Dafür brauchen, wenigstens die Früchte der Stilprägendsten einen wiederkehrenden Stand, an dem sie immer wieder als "Repertoir" hervorgeholt und aufgetischt werden können. - Wir Konsumenten könnten so auf den Geschmack kommen und sie unterscheiden lernen, bevor sie weiter zubereitet werden.

Anerkennung als Eckpfeiler

Förderer und Veranstalter waren so zahlreich zur Stelle wie die Künstler selbst, was einen sehr intensiven, zutiefst professionellen und erfahrungsgeladenen Austausch generierte. Träumte jemand z.B. gegenüber Sidi Larbi Cherkaoui sitzen zu dürfen? Dem Belgier Fragen zu seinen künstlerischen (Um)wegen zu stellen? Das Symposium bot in moderierten Debatten dazu Gelegenheit.

Anerkennung, so ward an diesem Tag wissenschaftlich dargelegt, ist ein fester Pfeiler der Kreativität. Doch woher nehmen? Die belgische Tanzförderung ist weltweit vorbildlich. Der Schweizer Choreograph der freien Szene bettelt (abendfüllende!) projekt-weise um Geld, wird kaum angekündigt oder besprochen (die Schweizer Presse ist im Abbau und fusioniert) und Fachblätter gibt es keine mehr (die letzten drei gingen die vergangenen zehn Jahre ein). Was zunehmend den Ton angibt, ist die PR der Veranstalter und ihr Geschmack...

Wie gut tut da so ein Symposium!

Mittwoch, 21. April 2010

Ausblick April 2010


Der internationale Tag des Tanzes ist greifbar nahe. Am 25. April locken 22 Städte der Schweiz mit Tanz auf die Strasse, in Filmsäle oder in Schnupperkurse. Unesco hat diesen Tag seit 1982 weltweit für den Tanz reserviert, vielleicht machen Sie davon Gebrauch..? Hier ist das Programm für die Schweiz.


Auf den Fuss folgt dann Steps, ein hochkarätiges Festival, das die Kultursubvention des Schweizer Migros' nährt. Alle zwei Jahre kommen
Companien, die man nicht missen möchte, so ist z.B. das neueste Stück von Sidi Larbi Cherkaoui zu sehen. Interessiert? Hier ist das Programm.