Donnerstag, 15. Mai 2008

5 Werke - 5 Fragen

erschienen in ensuite Nr. 65, Mai 2008, S. 13-15:

Im beschwingten Monat Mai gibt es fünf neue Werke zu sehen. Zwei der Choreographen sind in Zürich beheimatet, zwei sind aus London und Stockholm zu Gast bei der fünften Choreographin in Bern. Sie werden gefragt nach ihrer Tradition, ihrem Werdegang, dem anstehenden Stück, dessen Stil und der verwendeten Technik.




I. Béatrice Jaccard spricht über das neue Werk au bleu cochon der Compagnie Drift, die sie zusammen mit Peter Schelling leitet.
KS: Wie reihst Du Dich in die Tradition der Moderne ein?
BJ: Als ich Graham und Limón studierte, war mir bewusst, dass ich nie im Leben so eine Bewegung auf der Bühne ausführen werde. Aber es inspirierte mich, dass diese verrückten Hühner [Martha Graham und Doris Humphrey] ihre originellen Bewegungen durchzogen, - kein Mensch fand sie anfangs toll.
KS: Heute kann man Graham oder Limón nur noch fragmentiert verwenden. Teilweise wird der Tanz an seine Grenzen getrieben…
BJ: Da sprichst Du jetzt den No-Dance an. Das ist so was von Mode! In den USA gab es ihn bereits in den 60ern, Anfang 70ern. Diese extreme Strömung kann zwar durchaus gut sein, droht aber schnell langweilig zu werden. Wenn man mit Bewegung nur noch ironisch umgehen kann und ein komplett gebrochenes Verhältnis zu ihr hat, ist es armselig für die Kunstform.
KS: Das Publikum fühlt nach einer solchen Performance den Appetit auf Bewegung oft ungestillt. 
BJ: Das ist der Grund, weshalb die Zuschauerzahlen zurückgehen.
KS: Ihr habt mit den Zuschauerzahlen keine Probleme. Im Osten feiert Ihr mit Eurer Theatralik grosse Erfolge. Was steckt dahinter?
BJ: Ich denke, erstens haben wir einen ironischen Blick auf das Weltgeschehen. Und die Leute im Osten, die dem absurden Alltagsgeschehen besonders ausgesetzt sind, schätzen das. Zweitens bieten wir im Gegensatz zu der Monokultur von Konzept- und No-Dance pononcierte Aussagen.
KS Und das klappt, auch wenn Du die Tänzer im Schaffensprozess miteinbeziehst? 
BJ: Der Witz an der Sache ist, dass du die Tänzer dazu bringst, wo du hinwillst im Stück. Wenn die Leute selber dort hinkommen, ist das viel besser, als wenn du diktatorisch vorgehst.
KS: … sie müssen es ja später selber überzeugend auf der Bühne vorbringen.
BJ: Die Art von darstellerischer Leistung und die Arbeit ist sehr präzise, genau und komplex. Das kannst Du nur bewerkstelligen, wenn Du dahinter stehst und nicht ein Zombie bist.
KS Euer Erfolgsrezept ist das ausgearbeitete Detail. Hilft der musikalische Takt, der Beat, beim Improvisieren?
BJ: Nein, wir arbeiten ohne Ton, ohne Musik.
KS: Es kann ja nur ein innerer, stummer Takt sein…
BJ: Die Tänzer sind häufig nicht auf dem Beat, sollen auch gar nicht auf der Musik sein. Für die Impulse [welche in der Gruppe empfangen und abgewandelt weitergereicht werden] muss man keinen gemeinsamen Beat haben. Der Witz besteht darin, verschiedene Rhythmen der Impulsketten quer zu verbinden, - und es geht weiter. Einzelne Personen haben ganz verschiedene Bewegungen und Rhythmen in den Impulsketten, man muss nur auf seinen Impuls vom anderen warten.
KS Man muss wissen, an welcher Stelle der Phrase wer wo ist?
BJ: Ja. Irgendwann ist jeder fertig und alle wieder da, von wo sie ausgingen und es geht wieder los. Und das ist das Thema des Stückes: ‘huit clos’. Innerhalb eines geschlossenen Personenkreises verketten sich immer wieder dieselben Bewegungen.
KM: Konkrete alltägliche oder theatralische Elemente werden in Bewegung aufgelöst,
BJ: in Abstraktion -
KM: die variiert werden und dennoch wiedererkennbar auftauchen.
BJ: Ja,ja. Dieses mal war es ein choreographisches Thema: Wie geht man mit Wiederholung um? Ich finde sie unglaublich spannend. Wiederholung ist ein alter Hut in Musik, Tanz und überhaupt.Wiederholung kann von Sinn entleeren und neuen Sinn verleihen. Alltägliches muss man nur wiederholen und schon ist es etwas anderes.
KS: Wiederholung macht auch aus einer alltäglichen Bewegung Tanz, indem sie sie zu einer Phrase reiht und über die Akzente der Alltagsbewegung, der involvierten Gelenke etwa, der Phrase eine rhytmische Struktur verleiht.
BJ. Natürlich, sie rhythmisiert. Die konsekutive Bewegungsabfolge, die ohne Strich und Komma immer weiterrollt, wie sie im Moment auch Mode ist, nervt mich.
KS: In Eurer theatralischen Choreographie dagegen untersucht Ihr, wie Psyche und Bewegung aufeinander wirken. Eigentlich betreibt Ihr Labans Eukinetik, Ihr wisst es nur nicht…
BJ Ja, gut möglich. Ich war eine der Studenten der 70er, denen klar war, daß alles politisch ist. Und natürlich gilt auch, daß alles psychologisch deutbar ist. Auch wenn man als Choreograph leugnet: “ich mach absolut nichts Psychologisches!”, ist es entsprechend deutbar. Am Forsythe ist nun interessant, wie Du erzählst, dass er die Eukinetik bei den Improvisationen aus dem psychologischen Zusammenhang rausnimmt. Und wie spannend ist es, daß man rein durch äußere Form einen starken inneren, emotionalen Wert auslösen kann!

II. Teresa Rotemberg ist gebürtige Argentinierin, die in ihr klassisches Ballett-Fundament in Buenos Aires und Monte Carlo früh auch den Modern Dance verankerte. Sie tanzte viele Jahre an deutschen Theatern, auch bei Ismael Ivo, und in Zürich, wo sie 1999 ihre eigene Companie Mafalda gründete. 
KS: In Deinem Beitrag zu Tanz4 am Berner Stadttheater hast Du auf Musik von György Ligeti eine dichte Gruppe gebildet, die durch ein bewegliches Bühnenkonstrukt zusammengehalten wird. Wir müssen ja nicht alles verraten. Die Gruppe entwickelt dabei einen Stil, die der Gruppendynamik gerecht wird. 
TR: Ich habe drei Stile, die gewissermassen drei Welten oder Systemen entsprechen. Der erste ist in der Tat körperlich und die Gruppenglieder sind aufeinander abgestimmt. Die Gruppe ist wie eine Maschine, die funktioniert. Die Gegenwelt kristallisiert sich in zwei nymphenartigen Frauen, die sich um sich selbst herumwinden und die Freiheit, die der weite Raum ihnen bietet, nicht nutzen. Diese Gegenwelt ist auf die Gruppe fokussiert und versucht ihr einzelne Mitglieder abzuringen. Wo die zwei Systeme punktuell miteinander in Kontakt kommen, entsteht eine Verwandlung. Nur einer bleibt aus der Gruppe übrig, und obwohl er an seine Welt festzuhalten sucht und im Grunde sein Bewegungsmaterial aus der Gruppenformation beibehält sieht es am Individuum anders aus.
KS frappierend anders! Ryles Watt, der das Individuum-wider-Willen verkörpert, offenbart überraschende stilistische und technische Seiten.
KS: Ich sah am Nymphenwesen Körperteile sich absondernd und verkorkst voneinanderweg- und aufeinanderzubewegen und verschiedene sich widerstrebende Impulse gleichzeitig bewältigen, fast in forsythescher Manier.
TR: Die Bewegungen dieser Wesen sind sehr komplex: Der Kopf dreht sich in eine Richtung, die Hüfte in eine ganz andere. Es entsteht eine wahnsinnige Spannung im Körper. Ich wollte sehen, wie man so verschiedene Sprachen wie die der beiden Systeme aufeinander prallen lassen kann.
KS: Die Gruppe macht sich mehr Modern-Dance-Bewegungen zunutze –
TR: - mit klaren Linien, langen Armen und Beinen, und die Nymphenwesen verrenken sich.
KS: Die Gruppendynamik kommt besser zustande mit Modern-Dance-Bewegungen und macht sich bei Forsythe rar, ist das ein Zufall?
TR: Sicher nicht! Wenn alle sich so verrenkt bewegen würden, dann wäre es natürlich viel komplizierter, sie zusammenzusetzen. Es gibt schon auch bei ihm Stellen mit Chaosmomenten drin, wenn zehn Leute solche Bewegungen liefern, und die dann insgesamt eine grosse Kraft haben. Aber nicht viele, man weiss als Zuschauer auch nicht, wie man ihnen folgen soll.
KS: Wo würdest Du Dich in der Stilentwicklung des Tanzes verorten?
TR: Ich habe in Buenos Aires und Monte Carlo eine klassische Ausbildung erhalten und mal ganz gut klassisch getanzt. Hier in Europa sind wir Tänzer dann mehr von Limón und Cunningham geprägt. In Deutschland lernte ich das Tanztheater kennen. Seitdem ich 1999 meine Gruppe gründete – meine choreographische Arbeit ist ein Geben und Nehmen -, integriere ich viel von ihren zeitgenössischen Richtungen. 
KS: In Momenten des Gruppenkontakts im neuen Stück, arbeitest Du da nicht auch mit Contact Improvisation?
TR: Ja, in den Duos, wo die zwei Systeme über einzelne Personen aufeinandertreffen. Hier herrscht die Devise: einen Impuls geben, einen Impuls nehmen. Ich kombiniere, wer kommt wann, aber ich lasse die Tänzer die Impulse miterarbeiten. Im Anschluss schreibe ich die erhaltene Impulsfolge fest.
KS: Hast du etwas von den asiatischen Kampfsportarten?
TR: Ja. Ich habe festgestellt, wenn man Impulse organisiert und sagt: “Du machst nun eine so starke Bewegung, dass dein Bein mitgerissen wird, dass es dich springen lässt“, dann hat es etwas Kampfartiges.

I
III. Hofesh Schechter wird derzeit als meistbesprochener Choreograph Grossbritanniens gehandelt. Doch die Insel hatte er ursprünglich nicht tanzend betreten: “Als ich in London landete, vor fünf Jahren, kam ich mit einer Rockband. Ich war der Schlagzeuger. Wir nannten uns Die Menschliche Wesen (The Human Beings). Wir machten einige Auftritte. Es war eigentlich eine Art Hobby für mich. Ich wusste, dass ich an einem gewissen Punkt mit dem Tanz ernst machen müsse”, meinte Hofesh letztes Jahr. Wir knüpfen an: 
KS Du hast Dich in Tel Aviv und Paris als Schlagzeuger geschult. Hast Du die Musik zu Deinem neuen Stück in Bern gemacht?
HS Ja, der Soundtrack stammt von mir. Die Trommeln, die man hört, nahm ich bei einem vom Sadlers Wells geförderten Forschungsprogramm mit 13 Schlagzeugern auf.
KS Welche Gedanken trieben Dich zum neuen Stück Fools?
HS Das Stück dreht sich rund um das Gefühl, genarrt zu sein und jemandem auf den Leim zu gehen. Eine Gruppe, die sich an der Frage die Zähne ausbeisst, ob sie zum Narren gehalten wird, ist bereits etwas närrisch. Wenn Du nicht weisst, ob Du zum Besten gehalten wirst oder nicht, steckst Du schon in Schwierigkeiten. Es ist keine realistische Story über Irre. Wir wandern nicht herum und machen irres Zeug, nein. - Es hat etwas Beschämendes, ein Narr zu sein. Es ist ein sehr gemischtes Gefühl. Ich werde nie zu einem Schluss kommen, was das Gefühl ist. […] In London bezahlst Du den weltweit höchsten Fahrpreis für die U-Bahn und stehst mit zweihundert Leuten im Wagen zusammengepfercht. Man kommt sich wie genarrt vor. Der schwierigere Teil der Frage über das Narren ist: wer narrt Dich? Es steckt nicht einer dahinter, der plant, es gibt ein komplexes System. Niemand überblickt die Welt.
KS In manchen Gesellschaften wirst Du des Systems besser gewahr, in manchen, wie in Italien, weniger, da jeder das System hinters Licht führt.
HS Ich glaube, es ist eine israelische Eigenart, dass man nicht genarrt sein möchte. Jeder um einen herum spielt schon verrückt genug. Du erkennst, wo es gefährlich wird, wo es Probleme gibt, damit Du nicht als Narr dastehst. Die Briten sind nicht so. In der Schweiz ist das System stark präsent, so wie ich es empfinde. Wo sind die Leute, wo ist das Leben ausserhalb ihrer Häuser?
KS Wie kann man das Thema System in solch einem Tanzstück anschneiden, als etwas Anonymes?
HS Ich nenne zwar das Stück Narren, sage aber nicht, wer die Narren sind. Es gibt vier Leute, die Hauptdarsteller, aber es gibt weitere vier, ich nenne sie Schatten, die sich die gesamte Zeit umherbewegen ohne zu tanzen. Ich habe ihnen keine eindeutige Funktion zugewiesen. Sind sie diejenigen, die austricksen oder sind sie selbst genarrt?
KS In Deinem Stück arbeitest du stilistisch viel mit Kontrasten. Die Tänzer gehen in festgefügter Rautenformation daher und fallen plötzlich in bodennahe Posen oder stampfen den Rhythmus in den Boden. Wir sehen nicht einen mehr oder weniger einheitlichen Bewegungsduktus wie im Modern Dance, das sich aus der Körpermitte nährt. Oder einen Atem, der mit ihrer Theorie einhergeht. - Vergessen wir nicht, die Batsheva Dance Company, in der Du tanztest, wurde 1964 von Batsheva Rothschild und Martha Graham gegründet -. In Deinem Tanz erhält ein Körperteil unerwartet ein Eigenleben und verselbständigt sich hektisch, während der restliche Körper träge nachzieht.
HS Alles ist möglich. Ich fühle mich frei, von allem, was ich vorfinde, zu schöpfen, Alltagsbewegungen inbegriffen. Solange es mit dem Gefühl, das ich thematisch umkreisen will, zu verbinden ist.
-- war das nicht das Motto der Pioniere gewesen?


IV. Cathy Marston ist Ballettdirektorin seit dieser Spielzeit in Bern.
KS: Cathy, ich habe Dich schon nach deiner Tradition im letzten Interview gefragt. Wir fassen uns deshalb kürzer. 
CM: Christopher Bruce’ Swansong war für mich die Zündung. Zwei Wärter foltern einen Gefangenen und ich sah, wie ein Stuhl sowohl zum Kerker als auch zum letzten guten Freund werden kann. Später aber, am Royal Ballet schätzte ich McMillans narrative und symbolistische Begabung, seine Pas de deux.
KS: Dient Dir auch etwas als Negativfolie, von der Du Dich absetzt?
CM: Ja, die im Ballett verwendete Mimik und Gestik. Man muss sie möglichst meiden.
KS: Mit Narration bist Du beim Berner Publikum auch auf Ablehnung gestossen. In London dagegen auf Zuspruch. Was ist Deine Analyse?
CM: Man muss sein Publikum finden, das Publikum, das Inhalte liebt, muss mich finden. Man muss sich dafür Zeit geben und an seiner Art festhalten. Im neuen Stück gehe ich zwar von Gedichten aus, sie werden aber nicht erzählt. Es funktioniert eher wie Symphonische Dichtungen in der Musik. Mich inspirierte die Beziehung, die das Dichterpaar Sylvia Plath und Ted Hughes auch künstlerisch miteinander hatte. Der Titel “Through Your Eyes” ist aus einem Gedicht Sylvia Plaths entlehnt. Auf die Trennung des Paars folgte alsbald Sylvias Freitod und Ted Hughes las ihr Tagebuch, um es zu veröffentlichen. Von den unterschiedlichen Blickwinkeln, die sie gern in ihren Werken kreuzen liessen, aber auch vom retrospektiven Blick des ehemaligen Weggefährten, der an den subjektiven Eintragungen Sylvias sich messen muss, handelt mein Stück.
KS: Ich beobachtete lange die sechs Personen ausserhalb des Solisten mich fragend, ob eine Gruppendynamik entsteht. Fand aber keinen Hinweis dafür, trotz bedeutungsvoller Blicke, die gewechselt werden.
CM: Die drei Paare sind Aufspaltungen der Persönlichkeit Sylvias und ihrer spezifischen Beziehung zu Ted. Persönlichkeitsspaltung benutzte ich schon bei Frau Alving in Ibsens Gespenster. 
KS: Zu Beginn der Probe meintest Du zu den Tänzern, sie sollten als Bühnenpersonen mitbedenken, was sie gerade hinter sich lassen, 
CM: - was für eine Erinnerung. Ich wollte sehen, was sie daraus machen können. Mit der Persönlichkeitsspaltung ist es so, dass man anhand dreier aufgereihter Paare, auf die gleiche Beleidigung drei verschiedene Reaktionen aufzeigen kann. Im Film würde man sie übereinanderblenden: eine, die sich hinsetzt und weint, eine die zum Fenster geht und in die Ferne blickt.
KS: Du meintest also weniger das, was Forsythe bei seinen Improvisationen anregt, nämlich sich der Position, die man gerade verlässt, gewahr zu werden, um auf sie wieder Bezug nehmen zu können.
CM: Das mache ich eher in narrativen Stücken. Dieses Mittel ist hervorragend, um gleichzeitig ablaufende Zweifel einer Figur deutlich zu machen. Sie kann aus einer Position aussteigen, sich fragen: “habe ich richtig gehandelt?” und wieder einsteigen.
KS: Wie würdest Du Deine stilistische Vorlieben beschreiben? Und die technischen Mittel, die Du dazu anwendest?
CM: In meinen Stücken finden sich viele sequentielle Bewegungen. Damit meine ich, dass auf die Bewegung eines Körperteils die restlichen in einer Abfolge organisch nachkommen. Ich merkte vor wenigen Tagen, wie fliessend meine Choreographie ist und füge nun eckige Akzente ein. Ich kehre aber auch Abläufe um und zerlege gerne den Körper in Sektoren. Wenn z.B. üblicherweise ein rond de jambe endehors von einem parallel verlaufenden Arm begleitet wird, wähle ich die Gegenrichtung.

V. Alexander Ekman, der jüngste Choreograph dieser Runde ist ein wahrer Shooting-Star. An der königlichen schwedischen Tanzakademie ausgebildet, vom Royal Swedish Ballet übernommen, tritt er bald in die weltberühmte Tanzkompanie Nederlands Dance Theater II von Jiri Kylian ein. Er wechselt zum profilierteren und moderneren Cullberg-Ballett, versucht sich als Choreograph – und wird mit 22 Jahren bei einer Presseumfrage als sehenswerter Jungchoreograph gepriesen.
KS Ein amerikanischer Choreograph erklärte dieser Zeitschrift einmal, man wird als Choreograph nicht in eine Tradition hineingeboren, sondern wählt sie. Ist Dein Abschied vom Klassischen Ballett sowie später Dein Eintritt ins Cullberg-Ballett eine solche Wahl?
AE Ja, ich wollte etwas Neues ausprobieren. Mit dem schwedischen königlichen Ballett fühlst Du Dich wie in einem Museum - nun, das ist ihre Mission! -, indem Du ständig alte Stücke tanzt. Ich wollte welche tanzen, die mit meiner Zeit zu tun haben.
KS Es heisst, Birgit Cullbergs Initiation zum professionellen Tanz war Jooss’ Aufführung des Stücks Der grüne Tisch 1935 in Stockholm. Sie folgte ihm ins Exil nach Dartington zur Ausbildung. Cullberg schuf vorzugsweise psychologische Tanzdramen. Ihr Mann war ein bekannter Regisseur, der älteste Sohn, Mats Ek, studierte Schauspiel. Als dieser später zu choreographieren begann und die Companie übernahm, hatten seine szenischen Bilder eine suggestive Poetik und seine Stücke psychologische Tiefe. Damit steht er noch in perfekter Tradition von Kurt Jooss. Was Mats Ek hinzufügte und weltweit bekannt machte, ist sein exzentrischer Humor. Hast Du beides geerbt, die starke Poetik der Bilder und den schrägen Humor?
AE Ja.
KS Fühlst Du Dich da also heimisch?
AE Natürlich möchte ich nach meinem eigenen Stil, den eigenen Bewegungen forschen. Das Geschichtenerzählen interessiert mich weniger, ich bin abstrakter.
KS Humor hilft auch, sich aus Traditionen spielerisch zu lösen…?
AE Humor ist ausgesprochen wichtig für mich. Ich spüre, wie im zeitgenössischen Tanz, allgemein in der Kunst von heute, ein grosser Mangel an Humor und Leichtigkeit besteht. Ein Grund, warum ich zu choreographieren begann, war: ich wollte den Dingen eine Leichtigkeit verleihen.
KS Meintest Du den Konzept-Tanz?
AE Ja, aber es liegt an der Kunst allgemein. Sie sollte nicht so elitär daherkommen. Kunst sollte für alle sein, nicht? 
KS Light & cool ist die Losung! Du spielst mit Deinem Image auf der Webseite, deklarierst einen quadratmetergrossen fensterlosen Raum zum Wohnort (Deinen Koffer) – huch, und schon ist die mohnblumenrote Seite weg. Ein neues Image entsteht: Auf kühlem Weiss grinst uns ein Tom Waits, nein es ist sein Double: Alexander Ekman, entgegen. Eine Musik wie aus dem Weltall begleitet den selbsterklärten Vagabunden auf seinem Blog. Und da: die atemberaubenden Girls, die sich seit Jahren im Blog reihen… (jetzt wissen wir, warum sie nicht auf unseren Seiten sich tummeln). Und last but not least: die durch cut and paste rhythmisierten Bewegungen, die Du zu Tanz-Trailern zusammsetzt und in Youtube einspeist. Sie zeigen einmal, was Du machst, wenn Du Dich langweilst (einen skurilen Steptanz in Sakko, aber ohne Hose) oder Dein Bern-Projekt.
AE Sie handeln über die Geschwindigkeit von heute. Die Medien, alles ist so rasant. Das Theater ist im Vergleich so langsam. Und langweilt oft.
KS Ja. Das neue Stück wird auf dem Blog rasant (in doppelter Geschwindigkeit) eingeführt: Das Corps de Ballett marschiert in pulsierendem Tempo an, zieht ins Theater ein, schlängelt sich wie ein Tausendfüssler durch die Gänge, reiht die Schuhe vor den Ballettsaal und schminkt sich archaisch in einem gehetzten Ritual. Bachs Kammermusik zieht (wieder in Echtzeit) barock durch die Luft. Doch als das Tanzorgan, das Ensemble, sich in Bewegung setzt und des Ballettmeisters lautstarken Anweisungen schnaufend folgt, verflüchtigt sie sich. Erst wenn die Meute sich schnaubend und stampfend energetisch entladen hat und in eine Révérance sinkt, scheint sie domestiziert und empfänglich für Bachs kulturelle Errungenschaft: seine Musik setzt wieder ein. Hinterfragst Du das kulturelle Anliegen des Theaters? Das des Choreographen?
AE: Mag sein, ich dachte nicht soweit…, - aber ich liebe es, die Phantasie der Leute zu wecken.

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